Betriebsverlängerung französischer Kernkraftwerke - Baureihe 1300 MW

Generische Sicherheitsaspekte bei Laufzeitverlängerungen französischer Reaktoren der 1300 MW-Baureihe

Die Laufzeiten von Kernkraftwerken (KKW) sind in Frankreich gesetzlich nicht begrenzt. Jedoch finden alle 10 Jahre periodische Sicherheitsüberprüfungen (Visite Décennale) statt.

Électricité de France (EdF) strebt die Bewilligung für den Weiterbetrieb der 20 Reaktoren der 1300 MWe Baureihe über die angenommene 40 jährige Betriebsdauer hinaus an. Das Haut Comité pour la transparence et l’information sur la sécurité nucléaire (HCTISN) hat ein – auf freiwilliger Basis stattfindendes ‒ öffentliches Begutachtungsverfahren eingeleitet. 

Öffentlichkeitsbeteiligung 18. Jänner 2024 – 30. September 2024.

Das Haut Comité pour la transparence et l’information sur la sécurité nucléaire (HCTISN) führt zwischen 18. Jänner 2024 und 30. September 2024 eine freiwillige Öffentlichkeitsbeteiligung durch.

Einen Teil der Informationen stellt HCTISN auf einer unten verlinkten Internetseite auch in englischer Sprache zur Verfügung.

Auf der entsprechenden Webseite (in Französisch) besteht die Möglichkeit zur Abgabe von Stellungnahmen durch die potentiell betroffene Öffentlichkeit.

Stellungnahmemöglichkeit Online (Link zu HCTISN) 

in Englisch:

4th PERIODIC SAFETY REVIEW OF THE 1300 MWe REACTOR FLEET - Summarised version of the Fulfilment Report 

Fachstellungnahme Österreich Juli 2024

Ein Expert:innenteam unter der Leitung des Umweltbundesamtes hat für das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) eine Fachstellungnahme zum französischen Konsultationsprozess bezüglich die generischen Anforderungen an die Betriebsverlängerung der französischen 1300 MWe Reaktoren erarbeitet. Die Betroffenheit Österreichs ergibt sich daraus, dass auch für die französischen 1300 MWe Reaktoren schwere Unfälle mit bedeutenden Freisetzungen an radioaktiven Stoffen nicht ausgeschlossen werden können und in einem solchen Fall Interventionsmaßnahmen in Österreich erforderlich werden können.

Grundlage der Erstellung der Fachstellungnahme waren Detailanalysen zu folgenden Themenbereichen:

  • Wie läuft ein PSÜ (Periodische Sicherheitsüberprüfung) in Frankreich ab. Welche Punkte sind aus den vorangegangenen PSÜ-Verfahren weiterhin offen?
  • Gibt es generische Mängel/Fehler aus der Durchsicht von Ereignismeldungen aus den letzten Jahren, speziell bei den 1300 MWe Reaktoren, die eine besondere Berücksichtigung erfordern?
  • Welche Nachweise sind speziell auf Einwirkungen durch externe Ereignisse für die Betriebsverlängerung der 1300 MWe Reaktoren in Betracht zu ziehen?
  • Wie sind die seitens der EdF angekündigten Ertüchtigungsmaßnahmen, die den EPR in Flamanville als eine Art Maßstab zum Inhalt haben, zu bewerten?

Auf Basis der Detailanalysen (die einschlägigen Berichte werden demnächst ergänzend veröffentlicht werden) wurde eine Fachstellungnahme erarbeitet und an die französische Seite übermittelt.

Die Fachstellungnahme kommt zu folgenden Schlussfolgerungen:
  • Externe Gefahren – Erdbeben: Die Anforderungen seitens der französischen Atomaufsicht (ASN) zur Bewertung von Naturgefahren entsprechen nicht den aktuellen WENRA-Richtlinien.
  • Externe Gefahren- Überflutung: Der relevante ASN-Leitfaden zur Beurteilung von Überflutungsgefahren wurde 2005-2012 erstellt und ist als veraltet anzusehen.
  • Externe Gefahren – menschengemachte Gefahren: Die einschlägigen Analysen sollen derzeit noch nach der 4. PSÜ erfolgen. Diesbezüglich wird angeregt, diese Analysen im Rahmen der 4. PSÜ durchzuführen.
  • Auslegungsdefizite der 1300 MWe Baureihe: Gegenüber dem EPR in Flamanville, der vier 100% redundante Sicherheitssysteme aufweist, verfügen die 1300 MWe Reaktoren nur über 2x100% Redundanzen. Eine Nachrüstung auf das angestrebte EPR-Niveau ist daher rein technisch betrachtet nahezu unmöglich.
  • Der EPR verfügt über einen sogenannten Core Catcher, der ein Containmentversagen verhindern soll. Sowohl für die 900 MWe als auch die 1300 MWe Reaktoren sind die Untersuchungen zur grundsätzlichen Implementierung eines gleichwertigen Systems nicht abgeschlossen. Zum aktuellen Zeitpunkt ist hierzu keine Bewertung möglich. Das Hardened Safety Core erhöht die Widerstandsfähigkeit der 1300 MWe Reaktoren gegen externe Gefährdungen wie Erdbeben und Überflutungen. Das EPR-Design gegen Erdbeben und Überflutungen basiert auf wesentlich strengeren Anforderungen.
  • Es wird die Erstellung eines eigenen „Risikoberichtes“ angeregt, der die Differenzen in den Sicherheitsmargen zwischen den nachgerüsteten 1300 MWe Reaktoren und dem als Referenz angegebenen EPR aufzeigt, sodass die Öffentlichkeit das weiterhin bestehende Risiko besser abschätzen kann.

Die Fachstellungnahme ist in englischer Sprache verfasst und enthält auch eine Zusammenfassung in Deutsch und Französisch.

Fachstellungnahme (Juli 2024)