Neue EU-Luftqualitätsrichtlinie

Fragen und Antworten zu den Änderungen für Österreich

Die neue Luftqualitätsrichtlinie ist am 10. Dezember 2024 in Kraft getreten. Danach bleiben zwei Jahre für die Umsetzung in nationales Recht. Die Richtlinie gibt neue Grenzwerte vor, unter anderem für Feinstaub und Stickstoffdioxid, die ab 2030 einzuhalten sind. Grundlage dafür sind neue Richtwerte der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

Was ändert die neue Richtlinie?

Die neue Richtlinie umfasst die Zusammenführung

  • der Richtlinie 2004/107/EG über Arsen, Kadmium, Quecksilber, Nickel und polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe,
  • der Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft für Europa
  • und der Richtlinie (EU) 2015/1480 zur Änderung bestimmter Anhänge der beiden zuvor genannten Richtlinien, in denen Referenzmethoden, Datenvalidierung und Standorte für Probenahmestellen zur Bestimmung der Luftqualität geregelt sind.

Die neue Richtlinie sieht vor

  • die Grenz- und Zielwerte für einzelne Luftschadstoffe an die im September 2021 veröffentlichten Richtwerte der WHO anzunähern,
  • besonders umfangreich ausgestattete Messstellen, sogenannte Großmessstellen, einzuführen,
  • neue zusätzliche Schadstoffe zu messen,
  • die Anwendung von Modellrechnungen zu verstärken,
  • Luftqualitätspläne zu stärken,
  • und die Information der Öffentlichkeit sowie den Zugang zu Gericht zu verbessern, einen Entschädigungsanspruch zu schaffen und Sanktionen zu verschärfen.

Was bedeuten die neuen Grenz- und Zielwerte für Österreich?

Die ab 2030 einzuhaltenden Grenzwerte wurden für die Schadstoffe PM2,5 und NO2 in den letzten Jahren an zahlreichen Messstellen in Österreich überschritten, für PM10 und B(a)P an wenigen Messstellen. Die Grenzwerte für alle anderen Schadstoffe wurden in den letzten Jahren in Österreich eingehalten. Die Zielwerte für Ozon werden großflächig in Österreich überschritten; das langfristige Ziel für Ozon wird an allen Messstellen überschritten.

Belastung im Vergleich zu den neuen Luftqualitätsstandards

Ob die Grenz- und Zielwerte ab 2030 ohne zusätzliche Maßnahmen eingehalten werden können, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. Die Emissionsszenarien zeigen aber einen weiteren Rückgang der Emissionen von Feinstaub und Stickstoffoxiden.

Emissionsszenarien

Auch bei der Ozonbelastung ist ein Rückgang zu erwarten. Ozon entsteht durch andere Luftschadstoffe, den so genannten Ozonvorläufersubstanzen. Das sind Stickstoffoxide, flüchtige organische Verbindungen, Methan und Kohlenmonoxid. Die Ozonbildung hängt von den Emissionen dieser Schadstoffe auf der gesamten Nordhalbkugel ab. Durch den Rückgang dieser Emissionen in Europa hat die Spitzenbelastung abgenommen. Steigende Emissionen in anderen Kontinenten sowie die globale Temperaturzunahme verzögern einen weiteren Rückgang, vor allem der mittleren Belastung.

Was ändert sich im Fall von Überschreitungen?

Erstellung von Plänen vor 2030 (Luftqualitätsfahrpläne)

Luftqualitätspläne sind bei Überschreitung der neuen Grenzwerte ab dem Jahr 2026 bereits vor dem In-Kraft-Treten der Grenzwerte im Jahr 2030 zu erstellen, falls diese 2030 voraussichtlich nicht eingehalten werden können (diese Pläne werden als Luftqualitätsfahrpläne bezeichnet).

Verbesserte Luftqualitätspläne

In Österreich müssen die Bundesländer gemäß Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L) Luftqualitätspläne für jene Gebiete erstellen, in denen Grenzwerte für Luftschadstoffe überschritten werden. In diesen Plänen werden Maßnahmen für die Verursacher:innen der Überschreitungen festgelegt. In der neuen Richtlinie werden die bestehenden Regelungen erweitert:

  • Der Zeitraum, in dem es zu Überschreitungen kommt, muss so kurz wie möglich sein und (neu) darf nicht länger als vier Jahre dauern.
  • Auch für Überschreitungen der Ozon-Zielwerte und der Verpflichtung für die durchschnittliche Exposition durch PM2.5 und NO2 müssen Pläne erstellt werden. Allerdings können die Mitgliedsstaaten davon absehen, wenn das Potential einer Änderung der Ozonbelastung durch Maßnahmen zu gering ist. Dies kann der Fall sein, wenn der ganz überwiegende Teil der Ozonbelastung aus grenzüberschreitendem Schadstofftransport stammt. 
  • Die Beteiligung von Stakeholder:innen und der Öffentlichkeit wird ausgebaut.
  • Künftig müssen mehr Informationen über die Wirkung der Maßnahmen und ihre Umsetzung veröffentlicht werden.

Die Luftqualitätspläne werden durch diese Erweiterungen künftig aufwändiger. Um wie viel, kann noch nicht beurteilt werden.

Fristverlängerung

Die neue Richtlinie verpflichtet zur Einhaltung der neuen Grenz- und Zielwerte ab 2030. Sollte dies nicht möglich sein, gibt es bei Vorliegen bestimmter Gründe eine Möglichkeit der Fristverlängerung (bis längstens 2040). Für PM10, PM2,5, NO2, Benz(a)pyren und Benzol sind diese Voraussetzungen:

  • Spezifische lokale Ausbreitungsbedingungen,
  • Orographische Randbedingungen,
  • Nachteilige klimatische Bedingungen,
  • Beiträge aus Ferntransport,
  • Erfordernis, einen beträchtlichen Teil von existierenden Heizsystemen, die für die Überschreitungen verantwortlich sind, tauschen zu müssen,
  • Projektionen, die zeigen, dass auch mit effektiven Maßnahmen. die in der bis 31.12.2028 zu erstellenden Luftqualitäts-Roadmap identifiziert wurden, eine Einhaltung ab 2030 nicht möglich ist. 

Wenn einer oder mehrere dieser Gründe zutreffen, kann der Einhaltezeitpunkt – unter bestimmten Voraussetzungen – von der Kommission aufgrund eines bis 31.1.2029 zu stellenden Antrags bis längstens 2040 verlängert werden. Für den Fall, dass die Fristverlängerung mit Projektionen begründet wird, ist jedoch nur eine Verlängerung bis längstens 2035 sowie eine weitere Verlängerung um höchstens zwei Jahre möglich, falls alle in dem Luftqualitätsfahrplan enthaltenen Maßnahmen umgesetzt wurden und die aktualisierten Projektionen zeigen, dass die Einhaltung auch bis 2035 nicht möglich ist. 

Die Voraussetzungen für die Fristverlängerung sind u.a.:

  • Ein Luftqualitätsfahrplan wurde bis 31.12.2028 erstellt, der den Anforderungen der neuen Luftqualitätsrichtlinie entspricht sowie Projektionen betreffend die ehestmögliche Einhaltung der neuen Grenzwerte enthält. 
  • Der Luftqualitätsfahrplan stellt dar, wie sensitive und vulnerable Bevölkerungsgruppen über die Konsequenzen dieser Fristerstreckung informiert wurden.
  • Der Luftqualitätsfahrplan enthält Angaben zur Finanzierung der Maßnahmen.
  • Während der Fristverlängerungsperiode sind die Luftqualitätsfahrpläne regelmäßig zu aktualisieren, Berichte über die Implementierung von Maßnahmen zu erstellen und an die Kommission zu übermitteln. 

Die Europäische Kommission hat mittels Durchführungsrechtsakte technische Details zu den Anforderungen an Projektionen und den Implementierungsberichten festzulegen. 

Besserer Zugang zu Gericht, Schadenersatz und Sanktionen

Bürger:innen, die aufgrund der Luftverschmutzung gesundheitliche Schäden erlitten haben, haben Anspruch auf Entschädigung, wenn der Vollzug der nationalen Umsetzungsbestimmungen durch die Behörden vorsätzlich oder fahrlässig unzureichend ist. Die Richtlinie sorgt auch für mehr Klarheit in Bezug auf den Zugang zu Gericht, wirksamere Sanktionen für Verstöße gegen die zur Umsetzung der Richtlinie erlassenen Maßnahmen und eine bessere Information der Öffentlichkeit über die Luftqualität .

Was sind Großmessstationen und was soll dort gemessen werden?

Die neue Richtlinie sieht so genannte Großmessstationen („Supersites“) vor, das sind Messstationen, an denen auch Konzentrationen von Luftschadstoffen gemessen werden, für die es bislang weder Ziel- und Grenzwerte noch eine Messverpflichtung gegeben hat:

  • Ultrafeine Partikel (UFP)
  • Partikelgrößenverteilung der UFP
  • Black Carbon
  • Chemische Zusammensetzung von Feinstaub (PM2,5)
  • Oxidatives Potential von Feinstaub (beschreibt die Eigenschaft, oxidativen Stress in Gewebezellen auszulösen, durch den Entzündungsreaktionen entstehen können; freiwillig)
  • Levoglucosan (Indikator für Biomasseverbrennung, freiwillig)
  • Ammoniak (NH3)
  • Quecksilber
  • Salpetersäure

Die Anzahl der Großmessstationen richtet sich nach Fläche und Bevölkerung der Mitgliedsstaaten. In Österreich müssen zwei Großmessstationen eingerichtet werden. Vorgesehen sind je eine Großmessstation im ländlichen Raum und eine im urbanen Raum. Die Standortwahl für diese Großmessstationen obliegt den Mitgliedsstaaten. 

Was ändert sich bei den Modellrechnungen?

Modellierungen der Schadstoffbelastungen für Gebiete mit Grenzwertüberschreitungen sind künftig verstärkt durchzuführen. Alternativ können auch indikative Messungen, das heißt Messungen mit geringeren Anforderungen an die Datenqualität, durchgeführt werden. Mit den Modellrechnungen können die flächenhafte Verteilung der Belastung und die Repräsentativität der Messungen bestimmt werden. Wenn Modellrechnungen eine Überschreitung eines Grenzwertes oder Ozon-Zielwerts zeigen, müssen dort Messungen durchgeführt werden. Auch bei Verlegung einer Messstelle, an der Überschreitungen festgestellt wurden, müssen Modellrechnungen oder indikative Messungen durchgeführt werden. Ebenso muss eine zuständige Behörde („competent authority“) für die Modellierung festgelegt werden.

Bis wann müssen die nationalen Gesetze angepasst werden?

Die neue Richtlinie wurde am 20. November 2024 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht. Nach In-Kraft-Treten am 10.12.2024 haben die Mitgliedsstaaten zwei Jahre Zeit, diese in nationales Recht umzusetzen. In Österreich betrifft dies das Immissionsschutzgesetz-Luft (IG-L), das Ozongesetz, das Messkonzept zum IG-L (IG-L–Messkonzeptverordnung 2012) und die Ozonmesskonzeptverordnung (Ozon-MKV).