Bodenverbrauch gefährdet Lebensgrundlage der nächsten Generationen
Einen dringenden Appell richten Vertreter von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik an die Verantwortlichen in Bund, Ländern und Gemeinden: „Es wird in Österreich zu viel an Fläche täglich neu verbaut. Damit gefährden wir die Zukunft Österreichs“, erklären Astrid Rössler (LH-Stv. Salzburg), Konrad Pesendorfer (Generaldirektor Statistik Austria), Karl Kienzl (stellv. Geschäftsführer im Umweltbundesamt) und Kurt Weinberger (Vorstandsvorsitzender Österreichische Hagelversicherung). In ihrem Appell heißt es weiter: „Der gegenwärtige Bodenverbrauch gefährdet die Lebensgrundlagen der nächsten Generationen. „Wir müssen dem Bodenschutz zum Durchbruch verhelfen. Dazu sollten wir Bewusstsein schaffen, dass der Boden die Basis für unser Leben ist. Mit einer bodenschonenden Raum- und Verkehrsplanung gestalten wir heute das Klima von morgen."
Kienzl: Bodenverbrauch weiterhin auf hohem Niveau
Der Bodenverbrauch in Österreich liegt nach wie vor auf hohem Niveau, auch wenn für die vergangenen drei Jahre ein Rückgang in den Steigerungsraten zu erkennen ist. Das Umweltbundesamt präsentiert erstmals die aktuellen Werte: In den Jahren 2014-2016 wurden pro Tag durchschnittlich 14,7 Hektar an Boden verbaut. Das bedeutet einen Rückgang von 9 Prozent gegenüber der letzten Periode 2013-2015, in der täglich nahezu 20 Hektar verbaut wurden. Vom Zielwert der österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie, die einen Flächenverbrauch von maximal 2,5 Hektar pro Tag bereits für 2010 vorsah, ist der Wert allerdings weit entfernt.
„Wir müssen mit unseren Böden wesentlich sorgsamer umgehen. Nachhaltiges, strategisches Flächenmanagement ist für die Erhaltung der Bodenleistungen für zukünftige Generationen unerlässlich“, erklärt Karl Kienzl zur Bedeutung des Bodens als Lebensgrundlage. Durch das Verbauen von wertvollem Acker- und Grünland für Verkehrs-, Industrie- und Siedlungszwecke gehen wichtige Bodenfunktionen wie die Speicherung von Wasser und Kohlenstoff verloren, hochwertige Böden stehen als wertvolle Naturräume sowie für die landwirtschaftliche Nutzung nicht mehr zur Verfügung. Der Wegfall von Versickerungsfläche erhöht zudem die Gefahr von Überschwemmung und Hochwasser. Von den 14,7 Hektar an täglichem Bodenverbrauch wird nahezu die Hälfte versiegelt. Das bedeutet, dass kein Wasser- und Luftaustausch für den Boden möglich ist und die natürlichen Bodenfunktionen verloren gehen.
Um den Bodenverbrauch einzudämmen und die Ressource Boden nachhaltig zu nutzen, sieht das Umweltbundesamt die wichtigsten Hebel in einem bundeseinheitlichen, strategischen Flächenmanagement. Dazu zählt, regionalisierte Zielwerte für die maximale Inanspruchnahme von Flächen und die Berücksichtigung der Bodenfunktionen in den entsprechenden Gesetzen zu verankern. Darüber hinaus wird empfohlen, Vorrangflächen für die landwirtschaftliche Produktion, für Hochwasser-Rückhaltung und ökologisch wertvolle Gebiete zu definieren. Die Nutzung von brachliegenden Industrie- und Gewerbeflächen sowie von ungenutzten Wohnflächen im Dorf oder in der Stadt soll Vorrang vor Ansiedelungen auf der grünen Wiese haben. Bund und Länder müssen sich auf verbindliche Vorgaben zum Bodenverbrauch einigen und Anreize dafür schaffen, Leerflächen zu sanieren und zu nutzen.
Pesendorfer: Die Flächeninanspruchnahme stieg in fünf Jahren um 24 Prozent
Die Flächeninanspruchnahme als Schlüsselindikator zeigt, wie sich die Flächennutzung für Bau, Verkehr und sonstige Zwecke (z. B. Freizeit oder Abbau von Stoffen) entwickelt. Konrad Pesendorfer: Die verbaute Fläche nahm von 2001 bis 2016 um rund 24 Prozent zu. Das entspricht einem Plus von rund 1.090 km² (= 109.000 Hektar oder umgerechnet rund 2,5 Mal die Landesfläche Wiens). Damit wuchs die Beanspruchung von Flächen seit 2001 deutlich schneller als die österreichische Bevölkerung (+8,7%). Die zunehmende Beanspruchung von Flächen ist übrigens ein Zeichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels: Ein höherer Lebensstandard führt zu einer Steigerung der Wohnnutzfläche pro Kopf. Den Daten von Statistik Austria zufolge stieg die durchschnittliche Fläche der Wohnungen an Hauptwohnsitzen von 86,3 m² im Jahr 1994 auf 99,3 m² im Jahr 2016.
Rössler: In der Raumordnung vorausschauend planen
In der Verbauung von Flächen liegt Österreich an der Spitze der europäischen Länder. In Salzburg will die Landesregierung dieser Entwicklung mit einem neuen Raumordnungsgesetz entgegenwirken. Die Novelle soll Anfang 2018 in Kraft treten, kündigte Rössler an. Ein wesentlicher Punkt ist die Mobilisierung von gewidmetem Bauland. Diese soll unter anderem durch die Einführung eines Infrastruktur-Bereitstellungsbeitrags erreicht werden: Wird erschlossenes Bauland nicht widmungsgemäß genutzt, ist dennoch für die bereitgestellte Infrastruktur ein Beitrag zu entrichten. Zudem wird die Raumordnung neu gedacht, wie Rössler erläutert: „Erstmals wird der Begriff der Zersiedelung definiert. In den neuen räumlichen Entwicklungskonzepten sind die Siedlungsschwerpunkte der Gemeinde auszuweisen. In diesen soll künftig die überwiegende Entwicklung der Gemeinde stattfinden. Damit werden die Stadt- und Ortskerne gestärkt. Die Ansiedlung von neuen Märkten erfolgt künftig nach strengen Kriterien. Bei Verbrauchermärkten wird auf eine ausreichende Anzahl an Einwohnern im Nahbereich geachtet.
Weinberger: Zubetonieren hat negative ökologische und wirtschaftliche Folgen
„Der aktuelle Rückgang des täglichen Bodenverbrauchs von 20 Hektar auf 14,7 Hektar oder 24 Fußballfelder ist positiv zu bewerten. Allerdings wird sechsmal so viel verbaut als in der Nachhaltigkeitsstrategie im Jahr 2002 festgeschrieben wurde. Der Umwidmung an Agrar- in anderweitige Nutzflächen steht eine enorme Fläche an ungenutzten Gewerbe- und Industriegründen und Gebäuden gegenüber. „In Österreich stehen rund 40.000 Hektar an Industriebrachen leer. Diese sollten durch finanzielle Anreize wieder wirtschaftlich genutzt werden“, so Weinberger. Die Umwandlung von Flächen für Bauten und Verkehr hat noch weitere Folgen. Kurt Weinberger: „Wir dürfen nicht vergessen, dass 500.000 Menschen entlang der agrarischen Wertschöpfungskette Beschäftigung finden. Deshalb ist es wichtig, dass sich die Entwicklung des enormen Verbrauchs an Boden rasch verlangsamt“. Wir unterstützen alle Maßnahmen auf Länder- und Bundesebene, die zu einer spürbaren Reduktion des Bodenverbrauchs führen, und Österreich wieder seine Schönheit zurückgeben“, so Weinberger abschließend.
Fakten zum Bodenverbrauch:
- In den letzten 10 Jahren wurden durchschnittlich 20 Hektar (=30 Fußballfelder) pro Tag verbaut. In der Periode 2014-2016 waren es 14,7 Hektar (=24 Fußballfelder).
- Österreich verliert jährlich 0,5 % seiner Agrarflächen, d.h. in 200 Jahren gäbe es bei Fortschreiten dieser Entwicklung so gut wie keine Agrarflächen mehr in Österreich. Im Vergleich: Deutschland und die Schweiz verbauen 0,25 %, Tschechien 0,17 %.
- Österreich hat mit 1,8 m² die höchste Supermarktfläche pro Kopf: Italien 1,0 m², Frankreich 1,2 m².
- Österreich hat mit 15 Meter pro Kopf eines der dichtesten Straßennetze: Deutschland 7,9 Meter, Schweiz 8,1 Meter pro Kopf.
- In Österreich gibt es lt. Umweltbundesamt 13.000 ha Industriebrachen. Inklusive Gewerbeflächen und leerstehender Häuser schätzt man die verbaute ungenutzte Fläche auf 40.000 ha, das entspricht in etwa der Fläche der Stadt Wien.
Rückfragehinweis
Mag. Sabine Enzinger, Pressestelle Umweltbundesamt
tel.: +43 664/800135488,
mail: sabine.enzinger@umweltbundesamt.at
Dr. Mario Winkler, Pressesprecher Österreichische Hagelversicherung
tel.: +43 664 827 20 67
mail:m.winkler@hagel.at
www.hagel.at
Mag. Alexandra Wegscheider-Pichler, Leiterin Stabsstelle 'Analyse' Statistik Austria
tel.: +43 1 711 28-7916
mail.:alexandra.wegscheider-pichler@statistik.gv.at www.statistik.at
Wencke Zellner, Büro LH-Stv. Dr. Astrid Rössler
tel.: +43 662 8042-4806
mail:wencke.zellner@salzburg.gv.at
www.salzburg.gv.at