Verordnung zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme
Mit der EU-Verordnung zur Wiederherstellung degradierter Ökosysteme sollen in der EU bis zum Jahr 2050 geschädigte Ökosysteme und Lebensräume in einen guten Zustand versetzt werden.
Intakte Ökosysteme sind die Lebensgrundlage für unsere Gesellschaft. Sie sind für den Erhalt unseres Wohlstands und unseres Wohlbefindens essenziell. Sie tragen zum Erhalt der biologischen Vielfalt bei, sind für den Klimaschutz wichtig, da sie in der Regel Kohlenstoffsenken darstellen, regulieren den Wasserhaushalt und sind Basis für nachhaltige Lebensmittel und Rohstoffe. Darüber hinaus bieten sie Schutz vor Naturgefahren und Extremereignissen, die durch den Klimawandel verursacht immer intensiver und häufiger werden. Intakte Lebensräume stellen auch wertvolle Erholungsräume dar, die für die nächsten Generationen erhalten werden sollen.
Die Lebensräume in Europa sind allerdings gefährdet, mehr als 80 Prozent der geschützten Lebensräume sind in schlechtem Zustand. Nicht nachhaltiges Wirtschaften und Konsumieren und damit verbunden ein massiver Ressourcenverbrauch und Schadstoffeinträge setzen unsere Lebensgrundlage zunehmend unter Druck und bringen damit unseren Wohlstand in Gefahr. Ohne intakte Lebensräume ist keine Anpassung an den Klimawandel möglich, Klimaschutz wird erheblich schwieriger und das Artensterben kann nicht eingedämmt werden.
Mit der geplanten EU-Verordnung zur Wiederherstellung degradierter Ökosysteme sollen die Leistungen, die eine intakte Natur für die Menschen erbringt, erhalten werden – fruchtbare Böden, Trinkwasserversorgung, Bestäubung, Schutz vor Naturgefahren sowie Freizeit und Erholung. Letztendlich geht es darum, die vom Menschen versursachten Schäden an der Natur zu reparieren und damit unsere Lebensgrundlage zu bewahren.
Aktueller Stand
Die EU-Kommission hat im Jahr 2022 einen Vorschlag für eine Verordnung zur Wiederherstellung geschädigter bzw. degradierter oder zerstörter Ökosysteme vorgelegt. Die Verordnung verpflichtet die EU-Mitgliedsstaaten, diese Ökosysteme schrittweise wieder in einen guten ökologischen Zustand zu bringen. Die geplanten Maßnahmen sollen zum Schutz und zur Erhaltung der biologischen Vielfalt beitragen, den Klimaschutz positiv beeinflussen und die Resilienz der Ökosysteme gegenüber Naturkatastrophen erhöhen.
Die Grundlage für die Verordnung bildet eine Reihe bereits existierender Konzepte und Regelungen wie der EU-Green Deal, die EU-Biodiversitätsstrategie 2030, die Fauna-Flora-Habitat- und Vogelschutz-Richtlinie, die Wasserrahmen-Richtlinie und die Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie. Die Verordnung umfasst aber auch jene Ökosysteme, die bisher von keiner Regelung erfasst waren, wie Wirtschaftswälder, städtische Grünräume und landwirtschaftliche Ökosysteme.
Der EU-Umweltrat hatte am 20.6.2023 einen ersten Kompromiss erzielt. Nach einer Reihe von weiteren Änderungsvorschlägen hat das Europäische Parlament am 27.2.2024 für das Gesetz zur Wiederherstellung degradierter Ökosysteme gestimmt. Im Rahmen des europäischen Gesetzgebungsverfahrens hat der Rat der EU am 17.6.2024 dem Standpunkt des EU-Parlaments zugestimmt, damit ist die EU-Verordnung zur Wiederherstellung degradierter Ökosysteme beschlossen.
Ziele und Zeitplan
Mit der EU-Verordnung zur Wiederherstellung degradierter Ökosysteme sollen in der EU bis zum Jahr 2050 geschädigte Lebensräume in einen guten Zustand versetzt werden. Den Fahrplan dafür sollen die Mitgliedstaaten in nationalen Wiederherstellungsplänen erstellen.
Die wichtigsten Inhalte
Von Agrarlandschaften, über Grünflächen, Gewässer bis Wälder – viele unterschiedliche Lebensräume werden von der geplanten EU-Verordnung erfasst.
Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustands
Für die FFH-Lebensraumtypen in schlechtem Erhaltungszustand sind Maßnahmen vorgesehen, um bis 2050 eine ausreichende Fläche in gutem Zustand für einen langfristigen Fortbestand der Lebensraumtypen und ihrer Artengesellschaften zu erreichen.
Die umzusetzenden Maßnahmen beziehen sich einerseits auf das Ziel der Verbesserung von Flächen in schlechtem Zustand (bis 2030 sind Maßnahmen auf 30% der Flächen in schlechtem Zustand zu setzten, bis 2040 auf 60% und bis 2050 auf 90%) und anderseits auf die Wiederanlage von Flächen (bis 2030 sind Maßnahmen zur Wiederanlage auf 30% der notwendigen Flächen zu setzten, bis 2040 auf 60% und bis 2050 auf 100%).
Zusätzlich sind Maßnahmen für die Wiederherstellung und Verbesserung von Habitaten von Arten der FFH- und Vogelschutz-Richtlinie zu treffen, damit für diese eine ausreichende Quantität und Qualität erreicht wird.
Die erforderlichen Maßnahmen können bis 2030 hauptsächlich in den ausgewiesenen Natura 2000-Gebiete stattfinden.
Mehr Schutz für Grünflächen, Gewässer und Insekten
- Bis 2030 soll kein Nettoverlust der Grünflächen in Siedlungsgebieten stattfinden; danach muss eine Zunahme der städtischen Grünflächen erfolgen. Bezugsgebiet dafür ist das gesamte Bundesgebiet, das heißt es gibt Flexibilität für einzelne Siedlungsgebiete.
- Von geschädigten Gewässern sollen bis 2030 EU-weit mindestens 25.000 Flusskilometer in frei fließende Flüsse rückgewandelt werden. Dafür sind jene Barrieren wie Staudämme und Längsverbauungen zu entfernen, die nicht für die Produktion erneuerbarer Energie, für die Binnenschifffahrt, die Wasser-Bereitstellung, oder den Hochwasserschutz benötigt werden.
- Auch die natürliche Bestäubung durch Insekten soll verbessert werden: Bis 2030 soll der Rückgang der Bestäuber-Insekten aufgehalten werden um in weiterer Folge eine positive Entwicklung dieser Arten zu erreichen.
Mehr Vielfalt in den Agrarlandschaften
Mit weiteren Maßnahmen soll die biologische Vielfalt in Agrarlandschaften verbessert werden. Dazu ist ein Aufwärtstrend bei mindestens zwei der folgenden drei Indikatoren zu erreichen: Grünland-Schmetterlingsindex, Menge an organischem Kohlenstoff in Ackerböden, Anteil der landwirtschaftlichen Flächen mit vielfältigen Landschaftselementen.
Mehr Vielfalt in den Wäldern
Auch die biologische Vielfalt in den Wäldern nimmt in der Verordnung einen hohen Stellenwert ein. Auf nationaler Ebene ist bis 2030 ein Aufwärtstrend beim Index häufiger Waldvogelarten und von mindestens sechs der nachfolgenden sieben Indikatoren bis 2030 zu erzielen: (a) stehendes, (b) liegendes Totholz, (c) Anteil der Wälder mit uneinheitlicher Altersstruktur, (d) Waldvernetzung, (e) Bestände an organischem Kohlenstoff, (f) Anteil der Wälder mit überwiegend heimischen Baumarten, (g) Vielfalt der Baumarten.
Nationale Pläne an die EU
Die Wiederherstellungs-Verordnung sieht die Erstellung von nationalen Wiederherstellungsplänen innerhalb von zwei Jahren nach In-Kraft-Treten vor. Sie sollen den nationalen Gegebenheiten entsprechend das Ausmaß und die Verteilung der Flächen, welche verbessert bzw. welche wiederhergestellt werden müssen, angeben.
Die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, ihre Entwürfe der nationalen Wiederherstellungspläne der Europäischen Kommission zur Bewertung und Rückmeldung vorzulegen. In einem festgelegten Verfahren werden die nationalen Wiederherstellungspläne überprüft und regelmäßig überarbeitet.
Geplante Umsetzung in Österreich
Für die Umsetzung der geplanten Maßnahmen sind in Österreich insbesondere die Bundesländer, das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK), das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft (BML) und die Gemeinden verantwortlich. Bei Umsetzung der Maßnahmen, ist aus heutiger Sicht davon auszugehen, dass sich die biologische Vielfalt und Funktionalität der wiederhergestellten Ökosysteme stark verbessern werden. Ein wesentlicher Punkt ist die rechtzeitige Sicherung der wiederherzustellenden Flächen, um damit kontraproduktive Eingriffe wie Verbauung oder Entwässerung zu verhindern.
Biodiversitäts-Strategie Österreich 2030+
In der Biodiversitäts-Strategie Österreich 2030+ sind bereits Ziele zur Wiederherstellung von besonders wichtigen Ökosystemen bis 2030 aufgenommen. Das betrifft vor allem Moore, Auen und Gewässer sowie weitere Lebensräume, die einen wertvollen Beitrag zum Fortbestand und Erhalt von gefährdeten Arten und seltenen Biotopen leisten. Darüber hinaus sollen laut nationaler Biodiversitäts-Strategie Landschaftselemente, wie Brachflächen, Hecken, Trockenmauern auf 10% der landwirtschaftlichen Nutzfläche erhalten oder errichtet werden. Diese Flächen werden auch als Habitate für Bestäuber (z.B. Wildbienen, Tagfalter) und somit einer Umkehr deren Rückgangs dienen
Agrarumweltprogramm (ÖPUL)
Das Agrarumweltprogramm (ÖPUL) sieht für Österreich 7% an Biodiversitätsflächen vor. Weitere ÖPUL Maßnahmen, wie z.B. die Naturschutzmaßnahme oder die ergebnisorientierte Bewirtschaftung unterstützen den Erhalt von wichtigen Agrarökosystemen und fördern die biologische Vielfalt.
Die Umsetzung der EU-Wiederherstellungs-Verordnung wird einen wesentlichen Beitrag zum Erreichen der österreichischen Biodiversitäts- und Klimaziele sowie zur Sicherung einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion als Grundlage für eine gesunde Ernährung leisten.