Überraschend: Pflanzen in Laubwäldern wandern im Klimawandel westwärts

Wien, 11. Oktober 2024

Dass Pflanzen und Tiere aufgrund der Klimaerwärmung nach Norden und in höhere Lagen wandern, ist ein bekanntes Phänomen. Eine Ausnahme bilden Pflanzen in europäischen Laubwäldern wie Gräser, Kräuter und Farne.

Foto Farn

Sie haben sich in den letzten Jahrzehnten nach Westen verlagert. Verantwortlich dafür ist ein erhöhter Eintrag von Stickstoff aus der landwirtschaftlichen Produktion, aus Verkehr, Energieerzeugung und Industrie. Zu diesem Ergebnis ist ein internationales Forscher:innen-Team aus Europa und den USA, darunter auch das Umweltbundesamt, gekommen. Die Studie wurde im Journal Science veröffentlicht.

Daten seit 1933, aus rund 3000 Laubwäldern in ganz Europa, wurden für die Studie herangezogen und ausgewertet. Das Umweltbundesamt stellte die Vegetationsdaten des Langzeit-Forschungsstandortes Zöbelboden im Nationalpark Kalkalpen zur Verfügung. 

Die Forscher:innen kamen zu dem Schluss, dass unterschiedliche Stickstoffbelastungen für die Westwärtswanderung von Pflanzen in Laubwäldern verantwortlich sind – mit negativen Folgen: Zu hohe Stickstoffeinträge führen dazu, dass stickstoffliebende, weit verbreitete Arten viele seltene Arten verdrängen und dadurch den Biodiversitätsverlust vergrößern. In den Buchenwäldern des Nationalparks Kalkalpen ist das beispielsweise der Klebrige Salbei, der die Gewöhnliche Knäuel-Glockenblume – eine gefährdete Pflanzenart der Roten Liste – unter Druck setzt. Stickstoffliebende Arten haben sich so in die Regionen hoher Belastungen ausgebreitet, entgegen dem Klimawandel-bedingtem Trend nach Norden.

Nach dem 2. Weltkrieg bis in die Mitte der 1980er Jahre kam es zu einer sehr starken Zunahme von Stickstoffeinträgen in die europäischen Ökosysteme, insbesondere in Regionen mit intensiver Viehwirtschaft wie etwa in den Niederlanden, Belgien, Dänemark und Norddeutschland. In den letzten Jahrzehnten griffen einige Maßnahmen zur Reduktion der Emissionen im Verkehrssektor, wie die Erneuerung der Flotte mit emissionsarmen Fahrzeugen im Pkw- und Lkw-Verkehr.

Auch in Österreich sind zahlreiche Sektoren für die Freisetzung von Stickstoff in die Umwelt verantwortlich. Vor allem Emissionen von Ammoniak, das im Zuge der Viehhaltung, bei der Lagerung von Gülle und Mist sowie bei der Düngung entsteht, konnten vergleichsweise wenig reduziert werden. In der Folge bekommen Wälder, Wiesen, Heiden und Moore, das sind rund 60% der Landesfläche, noch immer zu viel Stickstoff ab. Betroffen sind auch Schutzgebiete für seltene Arten und Lebensräume. Seit Jänner 2023 ist die Ammoniakreduktionsverordnung in Kraft getreten. Durch gezielte Maßnahmen wie die verpflichtete Abdeckung von Wirtschaftsdüngerlagern, die verpflichtete Einarbeitung von Düngemitteln im Ackerbau sowie Vorgaben zur Verwendung der emissionsintensiven Harnstoffdünger sollen die Stickstoff-Emissionen verringert werden. 

Links

Science Artikel

Nationales Stickstoffbudget

Ammoniakreduktionsverordnung

Forschungsstandort Zöbelboden

Stickstoffbelastung in Ökosystemen