Fachgespräch mikroPLASTIK
Mikroplastik ist überall in der Umwelt nachweisbar. Die weniger als fünf Millimeter großen Teilchen werden von Menschen und Tieren hauptsächlich über die Nahrung aufgenommen oder eingeatmet. Obwohl das Problem seit langem bekannt ist, gibt es noch viele Wissenslücken in der Forschung, angefangen bei einheitlichen Analysemethoden bis hin zu der Erforschung von konkreten Wirkungen auf Gesundheit und Umwelt.
Eine breite Zusammenarbeit aller Stakeholder:innen ist erforderlich, um die Freisetzung von Mikroplastik in die Umwelt weiter zu reduzieren. Das von Umweltbundesamt, Klimaschutzministerium und Gesundheitsministerium veranstaltete „Fachgespräch mikroPLASTIK“ am 20. September 2022 präsentierte aktuelle Initiativen an der Schnittstelle Forschung und Regulierung.
Seit den 1950er Jahren sind mehr als acht Milliarden Tonnen in die Umwelt gelangt, erinnert, Sabine Cladrowa, fachliche Leiterin für „Zero Pollution“ im Umweltbundesamt, in ihrer Moderation. Und Klimaschutz- und Umweltministerin Leonore Gewessler stellte in ihrer Videobotschaft die Frage, ob wir Plastik tatsächlich überall benötigen. Sie verwies auf erfolgreiche Initiativen, mit denen die Flut an Plastik in der Umwelt reduziert werden soll, wie die Einführung einer verbindlichen Mehrwegquote, Pfandsystem und Plastiksackerl-Verbot sowie den Aktionsplan gegen Mikroplastik. Darüber hinaus betonte sie die Notwendigkeit einer engen Verknüpfung von Forschung und Regulierung sowie eines interdisziplinären Ansatzes.
Gesundheitsminister Johannes Rauch erläuterte in seinem Video, wie wichtig ihm der Ansatz „one health“, also die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt ist. Im Zusammenhang mit Mikroplastik erinnerte er daran, dass es noch Wissenslücken im Bereich der Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit gibt. Auch zu den Effekten von zugesetzten Stoffen in Kunststoffen und zum Zusammenwirken mit anderen Umweltschadstoffen gibt es noch Wissenslücken, die zu schließen sind.
Aktionsplan gegen Mikroplastik
Der unter der Federführung des Klimaschutzministeriums (BMK) entwickelte Aktionsplan gegen Mikroplastik wurde von Renate Paumann vorgestellt. Er wurde am 11. Mai 2022 vom Ministerrat verabschiedet und zielt darauf ab, die Freisetzung von Mikroplastik in die Umwelt nachhaltig zu reduzieren. Die darin enthaltenen fünf Aktionsfelder spiegeln die Komplexität und den interdisziplinären Zugang zum Thema wider. Sie umfassen
- Stärkung der Datenlage, Forschung, Innovation
- Effektive Umsetzung und Weiterentwicklung der Regulierung
- Bewusstseinsbildung (von Konsument:innen und Schüler:innen)
- freiwillige Maßnahmen
- Beitrag zur globalen Nachhaltigkeit
Darüber hinaus wurde ein Paket von 25 weiterführenden Maßnahmen ausgearbeitet, die bis 2025 vom BMK und seinen Partnern auf nationaler, europäische rund globaler Ebene umgesetzt werden. Die Implementierung ist bereits angelaufen, dazu zählen beispielsweise die Entwicklung vergleichbarer Methoden und Projekte im Bereich Gesundheitsforschung, die Weiterentwicklung der verschiedenen Regulierungen auf nationaler und europäischer Ebene, die Ausarbeitung einer Broschüre für Konsument:innen sowie die Mitarbeit bei der Ausarbeitung eines globalen Plastikabkommens. Im Herbst startet eine Dialogreihe, die sich mit dem Umstieg auf mögliche Alternativen in der Land- und Forstwirtschaft sowie Gartenbau befasst. Um alle Maßnahmen umzusetzen, brauche es weiter die Mithilfe aller Beteiligten. In diesem Zusammenhang verwies Paumann auf die lange Liste an Kooperationspartnern im Anhang des nationalen Aktionsplans.
Gesundheitliche Effekte von Mikroplastik
Inwieweit Mikroplastik eine Gefahr für die Gesundheit darstellt, erläuterten Lukas Kenner und Wolfgang Wadsak von der Meduni Wien und dem Grazer Center for Biomarker Research in Medicine. Im Durchschnitt nehmen die Einwohner:innen pro Kopf hierzulande fünf Gramm an Mikroplastik in der Woche auf, sei es über Lebensmittel-Verpackungsmaterial oder durch andere Quellen. Im Projekt „microONE for human health“ erforschen die Beiden, ob die Entstehung, Verbreitung und Aggressivität von Dickdarmkrebs durch Mikroplastik begünstigt werden. Bisherige Versuche an Mäusen deuten darauf hin, dass Mikroplastik in den meisten Organen der Tiere landet und zu chronischen Darmentzündungen beitragen kann.
Forschung (Mikroplastik in der Umwelt, Lebensmittel, Biokunststoffe)
Helene Walch, Expertin für Mikroplastik im Umweltbundesamt, stellt aktuelle Projekte der Expert:innen-Institution für Umwelt vor, wie das Projekt „PLASBo – Harmonisierte Methoden für Plastik und Mikroplastik in Böden“, eine Bund-Bundesländer Kooperation unter Beteiligung der AGES. Bis 2023 soll ein österreichweit harmonisiertes Konzept zur Bestimmung von Plastik und Mikroplastik in Böden erarbeitet und getestet sowie erste österreichweite Daten erhoben werden. Auch Mikroplastik im Klärschlamm wird von den Umweltbundesamt-Expert:innen untersucht. Immerhin werden in Österreich 20% der Klärschlämme landwirtschaftlich verwendet. Um einen Überblick zu gewinnen, wurden 35 Kläranlagen beprobt; eine erneute Erhebung bei 20 Anlagen sollte die Konsistenz der Daten prüfen und zeigte Einflüsse von Einzugsgebiets- und Anlagenparametern. Inwieweit der Rückgang an Feldhasen in Österreich auf die Belastung durch Mikroplastik zurückzuführen ist, diese Frage wurde in einer Pilotstudie aufgeworfen. Sechs verschiedene Kunststoffsorten wurden in den Tieren nachgewiesen, auffallend hoch war die Partikelanzahl an Polyethylen im Lymphknoten des Darms. Weitere Untersuchungen sind notwendig um Ursachen-Wirkungs-Zusammenhänge und Aufnahmepfade zu klären. Straßen und Verkehr gelten als eine der Hauptquellen für die Verschmutzung durch Mikroplastikpartikel an Land. Der Reifenabrieb spielt dabei eine besonders große Rolle, zumal die enthaltenen Antioxidationsmittel als bedenkliche Stoffe gelten. Daran knüpfen sich viele Forschungsfragen, etwa inwieweit Umwelt und Tiere damit belastet sind oder ob 6PPD-Chinon, ein Abbauprodukt eines Antioxidationsmittels,das zum Sterben von Silberlachsen führt, auch für andere Organismen gefährlich werden kann.
Gabriele Eder vom OFI stellt die Methodenentwicklung für die Analytik von Mikroplastik in verpackten Lebensmitteln (wie Getränke, Käse) vor, der sie gemeinsam mit deutschen Partnern im Rahmen des Projektes „microplastik@food“ nachgeht.
Andreas Künkel von BASF erläutert, wie das Unternehmen zertifiziert bioabbaubare Mulchfilme aus Kunststoff entwickelt, die den EU Standard EN17033 erfüllen. Der Standard definiert die Anforderungen an biologisch abbaubare Mulchfolien für Anwendungen in der Landwirtschaft und im Gartenbau.
Europäische Regulierung und Initiativen
Werner Bosmans von der DG Environment der EU Kommission widmet sich in seinem Vortrag der unbeabsichtigten Freisetzung von Mikroplastik. Kunststoff-Granulate, Reifen, Textilien, Anstriche, Geotextilien und lösliche Filme von Waschmitteltabs tragen maßgeblich dazu bei. Anstriche sind laut Bosmans eine bisher unterschätzte Quelle. Die EU Kommission plant, 2023 einen Regulierungsvorschlag für die ein Eindämmung der Quellen von unbeabsichtigt freigesetztem Mikroplastik vorzulegen. Bereits Ende 2022 soll eine Mitteilung zu biobasierten, bioabbaubaren und kompostierbaren Kunststoffen vorgelegt werden.