Weniger Stickstoff, mehr Vielfalt durch Pflanzenfresser
Der Stickstoffgehalt in Wäldern entscheidet darüber, ob Pflanzenfresser die Pflanzenvielfalt fördern oder verringern. Das zeigt eine neue Studie des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung, an der das Umweltbundesamt maßgeblich beteiligt war und Analysen vom Forschungsstandort Zöbelboden eingebracht hat. Die Studie wurde Mitte Dezember im Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlicht.
Tiere wie Schafe oder Kühe können die Artenvielfalt in Wiesen erhöhen, indem sie kleine, wenig konkurrenzkräftige Pflanzenarten stärken. Sie tun das, indem sie konkurrenzstarke Arten abgrasen und so schwächere, die mit ihnen im Wettbewerb um Nährstoffe und Lebensraum stehen, von ihren übermächtigen Nachbarn befreien. Dadurch verringert sich der Konkurrenzdruck und auch diese schwächeren Arten können neben sehr konkurrenzstarken Pflanzenarten überleben, die Artenvielfalt steigt. Ob und wie dieser Mechanismus in europäischen Wäldern wirkt, hat nun ein Team von Forscher:innen unter der Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung analysiert und Mitte Dezember im Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlicht. Die Autor:innen, darunter auch Expert:innen des Umweltbundesamts, haben herausgefunden, dass ein direkter Zusammenhang zwischen der Rolle der Pflanzenfresser und dem Stickstoffeintrag in das Ökosystem Wald besteht.
Stickstoff gelangt durch Verbrennungsprozesse oder durch Verlust bei der landwirtschaftlichen Düngung in die Luft und von dort zurück in Ökosysteme. In Europa sind mehr als die Hälfte der Fläche besonders sensibler Lebensräume von übermäßigem Stickstoffeintrag betroffen wie beispielsweise Wälder, extensiv genutzte Wiesen oder Moore.
Stickstoff und Lichteinfall fördern wachstumsstarken Arten
Ob im Wald lebende Pflanzenfresser wie Rehe oder Hirsche das Vorkommen von kleinen, seltenen, oft gefährdete Pflanzen fördern oder verringern, hängt vom Grad der Überdüngung durch Stickstoff aus der Luft ab. In Gebieten mit geringen Stickstoffeinträgen wirkt sich das Abgrasen der konkurrenzstärkeren Arten überwiegend positiv aus, seltene Arten nehmen zu. In Gebieten, in denen Stickstoff bereits zu einer erheblichen Überdüngung geführt hat, können die wachstumsstarken Arten, die von dieser Überdüngung profitieren, nicht mehr zurückgedrängt werden. Im Gegenteil: Das Zurückdrängen der Strauchschicht durch die Pflanzenfresser erhöht den Lichteinfall am Waldboden und verbessert die Lebensbedingungen der bereits durch Stickstoff geförderten Pflanzenarten noch mehr. Seltene Arten kommen so noch stärker in Bedrängnis, ihre Anzahl verringert sich. Die Studie zeigt, dass Emissionen von Stickstoff weiter verringert werden müssen um die Artenvielfalt europäischer Wälder zu erhalten.
Langzeitdaten aus Österreich
Für die Studie „Divergent roles of herbivory in eutrophying forests“ haben die Forscher:innen Messreihen zu langjährigen Vegetationsveränderungen in 52 Gebieten aus 13 europäischen Ländern analysiert. Die österreichischen Daten stammen vom Forschungsstandort Zöbelboden im Nationalpark Kalkalpen in Oberösterreich. Das Umweltbundesamt betreibt dort seit den 90er Jahren ein umfassendes Ökosystem- und Luftgüte-Monitoring, in dem neben den Vegetationsdaten hunderte weitere Parameter untersucht werden. Die Ergebnisse sind bereits in mehr als 70 wissenschaftlichen Buchbeiträge, Artikel und Berichte eingeflossen und liefern unter anderem wichtige Erkenntnisse über Folgen und Erfolgen der Luftreinhaltung.
Weiterführende Informationen
Studie: Divergent roles of herbivory in eutrophying forests