NOx Emissionen – Realemissionen und Fahrzeugtests
Bei Emissionstests im September 2015 in Amerika sind bei Fahrzeugen der VW Gruppe hohe Abweichungen (Faktor 15 – 35) zwischen den Emissionen im Testbetrieb und den realen Emissionen im Verkehr aufgetreten. Die Abweichungen betreffen den Schadstoff NOx.
Betroffen sind laut Hersteller etwa 11 Mio. Dieselfahrzeuge. Die Stickoxidemissionen sind bei Dieselfahrzeugen aus verbrennungstechnischen Gründen deutlich höher als bei Benzinfahrzeugen, zudem ist – nicht wie beim Benzinfahrzeug – die Abgasnachbehandlung sehr aufwändig.
Zunehmende Abweichungen zwischen Realemissionen und Testemissionen sind schon lange bekannt und auf Basis der derzeitigen gesetzlichen Grundlagen zulässig, da die Testbedingungen nur einen kleineren Teil realer Fahrbedingungen abdecken. Rechtlich untersagt ist jedoch eine gezielte Manipulation des Abgasverhaltens von Fahrzeugen um die Emissionsgrenzwerte im Testbetrieb einzuhalten und das Fahrzeug im Realbetrieb – auch in gleichen Fahrsituationen - mit einem geänderten Abgasverhalten zu betreiben.
Unterschiede EU/US Grenzwerte
In Europa gelten für PKW die EURO Abgasklassen, welche die zulässigen Emissionen für die Luftschadstoffe (NOx, CO, HC, Partikel) festlegen. Die Emissionen werden in einem technisch spezifizierten Testzyklus, dem neuen europäischen Testzyklus (NEFZ) überprüft, dabei sind die Grenzwerte einzuhalten. Der Testzyklus dient zur Überprüfung der Straßentauglichkeit und der Einhaltung der Abgasgrenzwerte und damit der Typenzulassung. Er beinhaltet ein standardisiertes Fahrmuster, das nicht sehr realitätsnahe ist, da die Beschleunigungen relativ gering sind und die höchste Geschwindigkeit mit 120 km/h (Autobahn) begrenzt ist.
Im realen Fahrbetrieb dürfen diese Emissionsgrenzwerte derzeit auch überschritten werden. Dies deshalb, da im Realbetrieb auch Hochlastzustände (starke Beschleunigung, Anhängerbetrieb, starke Steigung etc.) auftreten können und die Emissionen hier deutlich ansteigen.
Analoges gilt für den Verbrauch bzw. den Ausstoß von Treibhausgasemissionen, wobei hier die Unterschiede zwischen Testzyklusmessung und Emissionen im realen Fahrbetrieb deutlich sind (Österreich 2016: 39% Differenz zwischen Testzyklusverbrauch zu Realverbrauch), jedoch nicht das Ausmaß wie bei den Luftschadstoffen aufweisen, welche um Größenordnungen über den Grenzwerten liegen können.
Nicht erlaubt ist die gezielte Manipulation des Fahrzeuges, etwa wenn die Motorsteuerung erkennt, ob sich das Fahrzeug in der Testzyklusmessung befindet und hierauf das Fahrzeug konditioniert wird, also die Abgasanlagensteuerung und Motorsteuerung bewusst verändert wird um niedrige Emissionswerte zu erreichen. Dies wird als „cycle beating“ bezeichnet und ist gemäß Verordnung (EG) 715/2007 verboten. Seitens der Hersteller werden die Fahrzeuge jedoch auch mit legalen Mitteln auf den Zyklusbetrieb optimiert. So werden Abgasanlagen bewusst so ausgelegt, dass sie bei Testbedingungen (Luftdruck, Temperatur etc.) optimal funktionieren, während im Realbetrieb die Emissionen deutlich höher sind (in Europa bei Euro 5 Pkw bei NOx-Emissionen etwa um den Faktor 4-8).
Der VW Konzern musste - nachdem die US EPA Abgasnachkontrollen an Diesel-Pkw-Modellen durchführte - eingestehen, dass eine entsprechende Software (bzw. „defeat device“) zum „cycle beating“ eingesetzt wurde, welche die Abgasreinigungsanlage der Diesel-Pkw im Realbetrieb teilweise ausschaltet. Die realen Emissionen lagen darauf um bis zu einem einen Faktor 40 höher als im Testbetrieb. In Europa ist eine derartig hohe Abweichung auch bei realen Testbedingungen bisher nicht bekannt, aufgrund der wesentlich weniger ambitionierten Testbedingungen in Europa und den damit verbundenen Möglichkeiten zur Fahrzeugadaptierung sind die Gesamtemissionen der Fahrzeuge jedoch in einer ähnlichen Größenordnung.
Entwicklung in Europa
In Europa wurde inzwischen ein neuer Testzyklus, der WLTP (Worldwide Harmonized Light Duty Test Procedure), entwickelt und von der EU beschlossen. Der WLTP wurde mit September 2017 eingeführt.
Teil des Testzyklus ist eine verpflichtende Überprüfung der Emissionen im realen Fahrbetrieb sein (RDE). Die EU-Mitgliedstaaten beschlossen im Oktober 2015 Konformitätsfaktoren (CF), welche festlegen, um wie viel die am Rollprüfstand ermittelten Grenzwerte im Realbetrieb überschritten werden dürfen. Von September 2017 bis Jänner 2020 dürfen die NOx Emissionen im realen Fahrbetrieb (mittels PEMS = Portable emissions measurement system gemessen) um den Faktor 2,1 (110%) über dem gesetzlich festgelegten Grenzwert liegen. Ab 2020 gewährt der Konformitätsfaktor 1,5 eine Überschreitung von maximal 50%. Somit wurden erstmals auch Höchstgrenzen für die Stickoxidemissionen im Realbetrieb festgesetzt.
Diese Emissionsgrenzwerte unter Realbetrieb sind eine Voraussetzung für die Vermeidung massiver Überschreitungen von Testwerten, die auf dem Rollenprüfstand erreicht werden.
Die RDE Gesetzgebung sieht vor, dass der Konformitätsfaktor stufenweise auch in realer Testumgebung einzuhalten ist. Die reale Testumgebung wird auch durch die Außentemperatur und durch die Seehöhe definiert. In einer ersten Typzulassungsphase (von September 2017 bis Jänner 2020) mussten die Fahrzeuge unter normalen Bedingungen (3 bis 30 Grad und bis zu 700 Höhenmeter) den Konformitätsfaktor von 2,1 einhalten. In der zweiten Typzulassungsphase (ab Jänner 2020) gelten schon verschärfte Bedingungen. Hier müssen die Fahrzeuge ab null Grad den Konformitätsfaktor von 1,5 einhalten. Testmessungen an den neuesten EURO 6d temp Fahrzeugen (seit Jänner 2019) zeigen erstmals auch bei Dieselfahrzeugen einen niedrigen Stickoxid-Ausstoß im Bereich der Abgasgrenzwerte.
Von Seiten des Deutschen Umweltbundesamtes wurde festgehalten, dass durch die Überschreitungen der Emissionswerte im Betrieb die Gesundheitsgefährdung durch den Verkehr – und somit eine Erhöhung der Sterblichkeit - toleriert wurde. Auch in Österreich sind speziell an straßennahen Messstellen regelmäßig Überschreitungen der Luftgütegrenzwerte zum Schutz der Gesundheit speziell bei der Schadstoffgruppe NO2 zu verzeichnen.
NO2 ist ein Reizgas und schädigt die Lungenfunktion, zusätzlich werden Herz Kreislauferkrankungen gefördert und die Sterblichkeitsrate erhöht. Außerdem sind die Stickstoffoxide mitverantwortlich für die Versauerung und Eutrophierung (Überdüngung) von Böden und Gewässern. In der kalten Jahreszeit entsteht aus gasförmigen Stickoxiden und Ammoniak partikelförmiges Ammoniumnitrat. Dieses trägt zu einer großräumigen Belastung durch Feinstaub (PM10) bei. Im Sommer führen Stickstoffoxide zusammen mit Kohlenwasserstoffen zur Bildung von Ozon.