Schlangenkopffisch & CO: Risiko für die Biodiversität in Europa
Ein Team von 43 WissenschafterInnen aus ganz Europa, unter ihnen die Umweltbundesamt-Experten Franz Essl, Wolfgang Rabitsch und Stefan Schindler, hat 66 Tier- und Pflanzenarten identifiziert, deren Einschleppung wahrscheinlich zu negativen Auswirkungen auf die Artenvielfalt und Ökosysteme in Europa führen wird. Von diesen Arten stellen acht ein besonders hohes Risiko, 40 ein hohes Risiko und 18 ein mittleres Risiko dar.
Die Studie, geleitet von Helen Roy, Professorin am englischen Centre for Ecology & Hydrology, wurde von der Europäischen Kommission beauftragt und am 13. Dezember in der renommierten Fachzeitschrift Global Change Biology veröffentlicht.
Umweltbundesamt-Experte Franz Essl: „Die Studie bietet eine Grundlage für weitergehende und detailliertere Risikobewertungen, die in einem ersten Schritt für die acht Hochrisikoarten erstellt werden sollten“.
Acht Arten mit besonderem Risikopotential
1. Channa argus – Nördlicher Schlangenkopffisch. Heimisch im südlichen und östlichen China, weit verbreitet in flachen, sumpfigen Teichen und Feuchtgebieten, wo die Art andere Fische frisst. Der wahrscheinlichste Einschleppungspfad ist die Einfuhr als Speisefisch.
2. Limnoperna fortunei – Goldene Miesmuschel. Heimisch in China, wo sie in Flüssen lebt. Die Art wurde bereits mit dem Transport von Fischen in andere Teile Asiens und nach Südamerika verschleppt. Sie filtriert kleine Planktonorganismen aus dem Wasser und kann so Artengemeinschaften und Nahrungsnetze verändern.
3. Orconectes rusticus – Amerikanischer Rostkrebs. Heimisch in Nordamerika, nach Kanada eingeschleppt. Großer und dominanter Flusskrebs, der sich erfolgreich gegen potenzielle Räuber verteidigt. Er verdrängt andere Flusskrebse und überträgt die Krebspest. Seine Ausbreitung erfolgt durch den Handel als Aquarientier oder durch individuelles Aussetzen in Flüssen.
4. Plotosus lineatus – Gestreifter Korallenwels. Heimisch im Indischen Ozean. Die Art wurde bereits im Mittelmeer an der israelischen Küste festgestellt, von wo sie sich wahrscheinlich weiter ausbreiten wird. Der giftige Fisch besiedelt sandigen und schlammigen Untergrund, ernährt sich von anderen Fischen und verdrängt diese auch durch Konkurrenz um Ressourcen.
5. Codium parvulum –Eine Grünalge, die im Indo-Pazifik heimisch ist und bereits in das Rote Meer verschleppt wurde, von wo sie durch den Suez-Kanal in das Mittelmeer gelangt ist. Sie gilt als „ecosystem engineer” und ist in der Lage die Struktur und Funktion des Lebensraumes erheblich zu verändern.
6. Crepidula onyx – „Onyx Pantoffelschnecke“. Heimisch an der Südküste Kaliforniens und an der nördlichen Pazifikküste Mexikos. Die marine Art verursacht in Asien Probleme als Filtrierer und „ecosystem engineer”.
7. Mytilopsis sallei – “Schwarzgestreifte Dreiecksmuschel”. Heimisch an der Pazifiküste Panamas. Die Art lebt bevorzugt im Brackwasser und wurde bereits in den Indo-Pazifischen Ozean, nach Asien und Australien verschleppt. Sie kann Artengemeinschaften dominieren, hat eine hohe Vermehrungsrate und kann extreme Umweltbedingungen überleben.
8. Sciurus niger – Fuchshörnchen. Heimisch im östlichen und zentralen Nordamerika. Negative Auswirkungen auf andere Hörnchen sind durch Konkurrenz um Ressourcen bekannt.
Horizon Scanning Methode
Die AutorInnen verwendeten in der Studie einen so genannten „Horizon Scanning“-Ansatz, um eine Priorisierung der gebietsfremden Arten zu erarbeiten. Bei dieser Methode wird in einem interativen Prozess ein Konsens zwischen den ExpertInnen aus unterschiedlichen Fachbereichen erreicht. Untersucht wurden Pflanzen, wirbellose Tiere und Wirbeltiere an Land, im Süßwasser und im Meer.
Die meisten der bewerteten Tiere und Pflanzen stammen aus Asien, Nord- und Südamerika. Sie gelangen über unterschiedliche Wege nach Europa: im Wasser lebende Arten überwiegend mit Schiffen eingeschleppt, während an Land lebende wirbellose Tiere, vor allem Insekten, mit lebenden Pflanzen eingeschleppt werden. Die Mittelmeerregion, Zentral- und West-Europa sowie die Makaronesischen Inseln sind besonders gefährdet, während das Auftreten der Arten in der Baltischen Region, am Schwarzen Meer, in Skandinavien und in den Alpen weniger wahrscheinlich ist.
Publikation: H.E.Roy, S. Bacher et al. (2018). Developing a list of invasive alien species likely to threaten biodiversity and ecosystems in the European Union. Global Change Biology.