Strahlenwarnsysteme

Strahlenwarnsysteme schützen die Bevölkerung vor radioaktiven Belastungen

Seit mehr als 30 Jahren verfügt die Republik Österreich über ein Strahlenfrühwarnsystem zur Erfassung großräumiger radioaktiver Belastungen der Umwelt (Ortsdosisleistung ODL).

Image Sonne Mond Erde

Die Betreuung dieses Systems obliegt der Strahlenschutzabteilung des Bundesministeriums für Klimaschutz (BMK vormals BMLFUW), die seit dem Jahre 2003 das Umweltbundesamt (Abt. Strahlenwarnsysteme) mit der Betriebsführung und der Weiterentwicklung des Systems betraut.

Das Frühwarnsystem überwacht die Gamma-Strahlung in der Umwelt des gesamten Bundesgebietes. Im Falle von nuklearen Ereignissen wird von einem Krisenstab beurteilt, ob bzw. welche Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung ergriffen werden müssen.

Großräumig erhöhte Radioaktivität wurde seit der Inbetriebnahme des Strahlenfrühwarnsystems nur nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl (1986) gemessen.

Radioaktivitätsmessstandorte in Österreich
Radioaktivitätsmessstandorte in Österreich

Die Strahlenmessdaten

Die Strahlenwarnsysteme verarbeiten eine Vielzahl an Messdaten.
Ca. 300 über das gesamte Bundesgebiet verteilte Sonden des Strahlenfrühwarnsystems überwachen die Gamma-Strahlung in der Umwelt (Ortsdosisleistung).

Zehn grenznahe Aerosol-Messstationen (Luftmonitore) ergänzen das Messnetz. Sie sind in der Lage, in der Luft vorhandene Radionuklide nachzuweisen (z.B. Iod, Cäsium und Radon).  

Die Rechenanlagen in den Strahlenwarnzentralen sammeln alle Strahlenmessdaten aus den Messnetzen und verarbeiten diese weiter.

Computerprogramme analysieren die gesammelten Daten und alarmieren die zuständigen Bediensteten bei technischen Störungen und bei Überschreitungen der Grenzwerte.

Die Strahlenmessdaten stehen auch den jeweiligen Landeswarnzentralen in den Bundesländern über ein gesondertes Datennetz zur Verfügung.

Zusätzlich erfüllen die Rechnersysteme folgende wichtige Aufgaben:

  • Archivierung der Messdaten
  • Datenaustausch mit den meisten Nachbarstaaten aufgrund bilateraler Verträge
  • Weiterleiten der Daten an den Kooperationspartner ORF und an das Gemeinsame Forschungszentrum der Europäischen Kommission (JRC/Ispra, Italien), das Daten aus zahlreichen nationalen Strahlenfrühwarnsystemen sammelt.

Neben dem Strahlenfrühwarnsystem bilden die sogenannten Entscheidungshilfesysteme den zweiten Pfeiler der Strahlenwarnsysteme.

Sie ermöglichen eine Ausbreitungsvorhersage für radioaktiv belastete Luftmassen auf der Basis von aktuellen Wetterdaten (vor allem Wind, Niederschlag).

Damit ist gewährleistet, dass

  • im Falle eines nuklearen Ereignisses (z.B. AKW-Störfall) mögliche Auswirkungen auf die Bevölkerung von einem Krisenstab beurteilt werden können.
  • die zuständige Behörde möglichst rasch Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung ergreifen kann.

Datenterminals vermitteln der zuständigen Strahlenschutzbehörde sowie den technischen Bediensteten der Betriebsführung einen Überblick über alle aktuellen Strahlenmesswerte in Österreich.

Die aktuellen Strahlenmessdaten der wichtigsten Standorte sind über den ORF-Teletext (Seite 623) abrufbar.

Daten: 
aktuelle Strahlenmesswerte (BMK)
Strahlenmesswerte im ORF-Teletext (Seite 622 ff.)
Strahlenmesswerte im EURDEP-System (engl.)

Strahlenwarnsysteme erfassen die Umweltradioaktivität in Österreich

Die Österreichischen Strahlenwarnsysteme bestehen aus folgenden wesentlichen Systemteilen:

  • ODL- und Luftmonitor-Messsysteme
  • Datennetzwerke
  • Datenzentralen (samt Server-Infrastruktur)
  • Entscheidungshilfesysteme

ODL-Messsysteme

Ca. 300 Gamma-Messsonden (sog. Proportional-Zählrohre) eines österreichischen Herstellers bilden das Gamma-Messnetz. Sie erfassen die so genannte Ortsdosisleistung (ODL), ein Maß für die momentane radioaktive Belastung der Bevölkerung in Sondennähe.

Die aktuellen Messdaten aller Sonden werden im 10-Minuten-Rhythmus von einem Server in der Bundesstrahlenwarnzentrale (BStrWZ) abgefragt und in einer Datenbank zu Auswertungszwecken gespeichert.

Wird bei einer Sonde ein bestimmter ODL-Wert überschritten, wird die Sonde selbsttätig aktiv und löst in der BStrWZ Alarm aus.

Luftmonitor-Messsysteme

Luftmonitore erlauben den elementspezifischen Nachweis von Radionukliden (z.B. Iod, Cäsium, Radon) in der bodennahen Luft (Aerosole). Dabei wird diese durch spezielle Filter angesaugt und die Aktivität der darin verbliebenen Radionuklide mit Detektoren für Alpha-, Beta- und Gamma-Strahlung gemessen.

Die 10 vollautomatischen Luftmonitore befinden sich in speziell eingerichteten Labor-Containern und sind im grenznahen Bereich zu jenen Nachbarländern aufgestellt, die Kernkraftwerke betreiben.

Datennetzwerke

In den Strahlenwarnsystemen wird eine Vielzahl an unterschiedlichen Netzwerktechnologien für den Datentransport eingesetzt.

Der ODL-Datentransfer läuft über ein kommerzielles, abgesichertes Telemetrie-Netzwerk. Die AMS-Stationen übertragen ihre Daten über xDSL-Verbindungen und für die Anbindung der Landeswarnzentralen an das Strahlenfrühwarn-system wird eine spezielle Netzwerkinfrastruktur eines großen österr. Telekom-Anbieters genutzt.

Kritische Verbindungen (z.B. zwischen den Datenzentralen) laufen über Standleitungen, alle übrigen Verbindungen (z.B. Remoteverbindungen der Bereitschaftsbediensteten auf die Systeme) werden hauptsächlich über stationäre und mobile Internetverbindungen abgewickelt.

Datenzentralen

Zwei geografisch getrennte Strahlenwarnzentralen bilden mit ihren Servern, Netzwerkkomponenten und Kommunikationseinrichtungen das Herz der österreichischen Strahlenwarnsysteme.

Sie verfügen über entsprechend eingerichtete Serverräume sowie über eigene Arbeitsplätze für die EntscheidungsträgerInnen der Strahlenschutzbehörde und die Bediensteten der Betriebsführung.

In den Zentralen laufen alle Informationen der Strahlenwarnsysteme zusammen. Hier werden die Strahlenmessdaten gespeichert, ausgewertet, dargestellt und analysiert.

Im radiologischen Anlassfall wird von hier aus die Strahlenschutzbehörde alarmiert.

Entscheidungshilfesysteme

Wenn radioaktive Substanzen (z.B. im Zuge eines KKW-Unfalls) in größeren Mengen in die Atmosphäre freigesetzt werden, spielen die aktuellen Wetterverhältnisse, vor allem Wind und Niederschlag, eine bedeutende Rolle.

Komplexe Computer-Programme (sog. Entscheidungshilfesysteme) sind in der Lage, die Ausbreitung von radioaktiv belasteten Luftmassen unter Zuhilfenahme von aktuellen Wetterdaten (Wind, Regen) zu simulieren.

Mit diesen Ergebnissen kann die zuständige Strahlenschutzbehörde bereits in der Zeit kurz nach einer bedeutsamen Radioaktivitätsfreisetzung über eventuell erforderliche Notfallmaßnahmen entscheiden und entsprechende Vorkehrungen zum Schutz der Bevölkerung treffen.

 

JahrMeilensteine in der Entwicklung der österreichischen Strahlenwarnsysteme
1975Erste Planungsarbeiten zu Messstationen, Datenübertragungssystem und Sonden
1976Installation der ersten ODL-Messstationen
1979-83Errichtung der Landesstrahlenwarnzentralen (LStrWZ) und der Bundesstrahlenwarnzentrale (BStrWZ)
1983Aufbau des ODL-Messnetzes mit 336 Stationen
1983-87Schaffung eines Luftmonitor-Messnetzes (Aerosole) im grenznahen Raum (seit 2006: 10 Luftmonitore)
1992Anzeige von online-Messdaten im ORF-Teletext
1994Beginn des bi- und multilateralen Datenaustausches
1997-99Komplette Erneuerung des Aerosolmessnetzes
2000-03Modernisierung des Zentralrechnersystems
1.1.2003Übernahme der Betriebsführung durch die Umweltbundesamt GmbH
ab 2003Einbindung von Entscheidungshilfesystemen
2004-05Aufbau der neuen Bundesstrahlenwarnzentrale und des dazugehörigen Rechenzentrums
2004-07Harmonisierung der ODL-Standorte entsprechend internationalen Empfehlungen sowie Umstieg auf ein neues Datenübertragungsnetz zwischen den Sonden und den Strahlenwarnzentralen
2006-07Errichtung einer zweiten, aus Sicherheitsgründen geografisch abgelegenen Strahlenwarnzentrale, Datentechnische Anbindung der Landeswarnzentralen über Standleitungen
2005-08Modernisierungen bei den Luftmonitoren
2006-08Implementierung einer modernen, umfassenden Systemüberwachung
2008Neuimplementierung des Alarmierungssystems, Migration der Zentralrechneranlagen (neue Server und neues Betriebssystem), Modernisierung der Kommunikationssysteme bei den Luftmonitoren
2008-09Optimierung und Konsolisierung der Systeme zur Steigerung der Effizienz, Betrachtungen zum Thema "GreenIT"
2007-10Umsetzung einer Web-Zugriffslösung auf eines der Entscheidungshilfesysteme
2010Implementierung eines Entscheidungshilfesystems mit europaweiter Berechnungsabdeckung
2010Anzeige von online-Messdaten im "Öffentlichen Meldebild" (Internet)
2011Modernisierung der Datenanbindungen zu den Aerosolmessnetzen der Nachbarstaaten
2010-13Umstellung der ODL-Stationen auf Datenlogger der neuesten Generation (Embedded Linux)
2012Beginn der Überarbeitung der Systemarchitektur in der Bundesstrahlenwarnzentrale mit Ausrichtung auf Systemvirtualisierung und Cloud-Technologien
 Einrichtung eines fachlich-technischen Managements der Strahlenwarnsysteme über Smartphones bzw. Tablets
12/2012Zertifizierung der Abteilung Strahlenwarnsysteme nach ISO 9001:2008
1.1.201310 Jahre Betriebsführung der österreichischen Strahlenwarnsysteme im Umweltbundesamt
2013-15Inbetriebnahme einer neuen Storage-Lösung (Massenspeicher). Weitestgehende Virtualisierung der Strahlenwarnsysteme 
09/2013Einrichtung eines sog. "Dashboard" (Armaturenbrett) zur Visualisierung der wichtigsten radiologischen und technischen Systeminformationen für die Diensthabenden
2014Modernisierung der Alarmierungssysteme für radiologische und technische Informationen
2013-15Zahlreiche Verbesserungen und Vereinfachungen zur Benutzerfreundlichkeit und verstärkte Berücksichtigung von IT-Sicherheitsaspekten
2015Implementierung einer neuen Lösung für den Import von Luftspürdaten
06/2015-12/2015Übersiedlung der SWS-Notfallzentrale an einen neuen Standort und Technologie-Upgrade (Thin-Clients)
09/2015-04/2016Übersiedlung des SWS-Hauptrechenzentrums an einen neuen Standort
03/2016Rezertifizierung der Abteilung Strahlenwarnsysteme nach ISO 9001:2008