Bisphenole
Bisphenole, die weltweit zu den meistproduzierten Industriechemikalien gehören, sind gesundheitsgefährdend. Dennoch werden sie in einer Vielzahl von Produkten in großen Mengen eingesetzt. Der Mensch nimmt Bisphenole über unterschiedliche Wege in den Körper auf, die im Organismus unter anderem auf den Hormonhaushalt wirken.
Neubewertung der Risiken
Wurde die ernährungsbedingte Exposition mit BPA bisher als unbedenklich angesehen, so ändert sich dies mit der Auswertung neuer wissenschaftlicher Forschungsergebnisse:
Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat im November 2021 die Risiken von Bisphenol A in Lebensmitteln neu bewertet und schlägt vor, die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) im Vergleich zu ihrer vorherigen Bewertung aus dem Jahre 2015 zu senken. Beim TDI-Wert handelt es sich um die geschätzte Menge eines Stoffs, die ein Mensch lebenslang täglich aufnehmen kann, ohne dass ein nennenswertes Risiko für die Gesundheit besteht. Das Expertengremium der EFSA hat nunmehr eine drastische Senkung der temporären TDI von bisher 4 Mikrogramm auf 0,04 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag festgelegt. Basis der Bewertung sind die Ergebnisse aktueller Studien, die Effekte von geringsten Konzentrationen von BPA auf das Immunsystem belegen.
Durch den Vergleich der vorgeschlagenen TDI mit Schätzungen der ernährungsbedingten BPA-Exposition von Verbraucher:innen kommt die EFSA zu dem Schluss, dass sowohl bei mittlerer als auch bei hoher BPA-Exposition Personen aller Altersgruppen diesen Wert überschreiten. Die Exposition über eine Kombination verschiedener Quellen (Ernährung, Staub und Kosmetika) liegt somit deutlich oberhalb dem sicheren Grenzwert für BPA in Lebensmitteln von 0,04 ng/kg Körpergewicht/Tag.
Auswirkungen auf die Gesundheit
Die Exposition mit Bisphenolen steht im Zusammenhang mit verschiedenen negativen Effekten auf die Gesundheit.
BPA ist hormonell wirksam bei Menschen und Tieren und steht im Verdacht, die Fruchtbarkeit zu beeinträchtigen. Die hormonellen Auswirkungen können östrogen, anti-östrogen, androgen und anti-androgen sein. Durch seinen Einfluss auf das Hormonsystem wird BPA für die zunehmende Unfruchtbarkeit von Männern verantwortlich gemacht. Es gibt starke Hinweise darauf, dass auch BPS und BPF ähnliche Auswirkungen haben; die genaue Evaluierung dieser Substanzen ist allerdings noch nicht abgeschlossen.
Des Weiteren konnten für BPA auch entwicklungsneurotoxische und epigenetische Wirkungen gezeigt werden. BPA und andere Bisphenole verursachen Störungen im Fettstoffwechsel.
Eine langfristige (chronische) Aufnahme von BPA hat in Tierversuchen negative gesundheitliche Effekte gezeigt, wie Schädigung der Nieren und der Leber, Fortpflanzungsbeeinträchtigung, Hinweise auf mögliche Schädigungen des Immunsystems und des Stoffwechsels sowie mögliche Auswirkungen auf die Entwicklung von jungen Nagetieren, wie etwa verfrühtes Einsetzen der Pubertät oder Veränderungen des Brustdrüsengewebes.
Bisphenole sind in verschiedenen Umweltmedien nachzuweisen. Sie können aufgrund ihrer Eigenschaften aus Produkten in die Umwelt migrieren. Durch den Kontakt mit BPA-haltigen Produkten über die Nahrung oder durch die Einatmung von mit Bisphenolen kontaminiertem Hausstaub kann der Mensch diese in den Körper aufnehmen.
Eigenschaften und Verwendung
Bei der Gruppe der Bisphenole handelt es sich um verschiedene chemische Verbindungen, die zwei Phenol-Gruppen in ihrer Struktur haben. Der bekannteste Vertreter dieser Gruppe ist Bisphenol A (BPA). Aufgrund der bereits seit langem beobachteten negativen Effekte auf Gesundheit und Umwelt sowie der damit verbundenen gesetzlichen Beschränkungen wird BPA immer öfter durch andere Bisphenole ersetzt, die aber strukturell sehr ähnlich sind und auch ähnliche Eigenschaften aufweisen.
Die häufigsten Alternativen zu BPA sind Bisphenol S (BPS) und Bisphenol F (BPF). Weitere Bisphenole sind etwa Bisphenol M, Bisphenol B und Bisphenol AF sowie Bisphenol A-Diglycidylether (BADGE).
Bisphenole gehören zu den meistproduzierten Industriechemikalien weltweit. Sie werden von der chemischen Industrie als Monomere bei der Herstellung von Polycarbonaten sowie in Epoxidharzen und in Thermopapier verwendet, und als Stabilisator bei der Produktion von Polyvinylchlorid (PVC).
Bisphenole werden in einer Vielzahl von herkömmlichen Konsumprodukten eingesetzt, wie beispielsweise zur Innenbeschichtung von Konserven- und Getränkedosen und anderen Lebensmittelkontaktmaterialien, aber auch in Babyfläschchen, Kassabons, Kosmetika, CDs/DVDs, Spielzeug, Papier und Karton, medizinischem Equipment, Zahnprodukten und elektronischen Geräten.
Was bedeutet BPA-frei?
Manche Produkte sind mit dem Vermerk „BPA-frei“ versehen. Eine solche Kennzeichnung unterliegt allerdings keinen gesetzlichen Regelungen. Zudem bedeutet das Label nicht, dass gar keine Bisphenole darin enthalten sind, sondern weist lediglich auf das Nicht-Vorhandensein von BPA hin. Aufgrund der gesetzlichen Beschränkungen sowie ausgehend vom Konsumverhalten und dem Wunsch nach BPA-freien Produkten wird BPA nämlich oft durch Alternativen ersetzt. Der Ersatz erfolgt unter anderem mit anderen Bisphenolen, die strukturell sehr ähnlich sind, wie beispielsweise BPS und BPF. Diese Verbindungen stehen aber ebenfalls im Verdacht, negative Effekte auf die Gesundheit zu haben. So konnte in diversen Studien gezeigt werden, dass diese BPA-Alternativen aufgrund der ähnlichen chemischen Struktur auch ähnliche gefährliche Eigenschaften haben. Des Weiteren geht mit dem vermehrten Einsatz von BPA-Alternativen die Problematik einher, dass auch sehr niederschwellig toxische Stoffe mit ähnlichen Wirkungen ergänzend wirken und dadurch zu kumulativen Effekten führen können.
Vorschriften für Bisphenol A
Bisphenol A (CAS-Nummer 80-05-7) ist eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Diphenylmethan-Derivate und eines der Bisphenole.
Die auf europäischer Ebene harmonisierte Einstufung lautet:
- H317 Kann allergische Hautreaktionen verursachen (Skin Sens. 1)
- H318 Verursacht schwere Augenschäden (Eye Dam. 1)
- H335 Kann die Atemwege reizen (STOT SE 3)
- H360F Kann die Fruchtbarkeit beeinträchtigen (Repr. 1B)
BPA ist auf der Kandidatenliste für besonders besorgniserregende Stoffe (SVHC) aufgrund der Reproduktionstoxizität und der endokrin wirksamen Eigenschaften auf Umwelt und Mensch.
BPA wurde 2015 durch die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde EFSA bewertet und die temporäre tägliche tolerierbare Aufnahmemenge (temporary tolerable daily intake, t-TDI) wurde auf 4 μg/kg Körpergewicht/Tag festgelegt. Aufgrund neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse ist eine weitere Senkung des TDI auf 0,04 ng/kg Körpergewicht/Tag in Diskussion.
Gemäß Verordnung (EU) Nr. 10/2011 i.d.g.F. für Materialen und Gegenstände aus Kunststoff, die mit Lebensmitteln in Berührung kommen, dürfen BPA und BPS bei der Herstellung von Lebensmittelkontaktmaterialien und -gegenständen aus Kunststoff eingesetzt werden, sofern der spezifische Migrationsgrenzwert von 0,05 mg/kg Lebensmittel eingehalten wird.
Bei der Herstellung von Babyfläschchen aus dem Kunststoff Polycarbonat (PC) ist in der EU der Einsatz von BPA verboten (Verordnung (EU) Nr. 10/2011).
In Österreich besteht ein zusätzliches Verbot der Verwendung von BPA in Beruhigungssaugern (Schnullern) und Beißringen (Verordnung BGBl. 327/2011).
Seit dem 2. Jänner 2020 darf Thermopapier auf Basis von Anhang XVII der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 i.d.g.F. Bisphenol A nur mehr in Konzentrationen von unter 0,02 Gewichtsprozent enthalten.
Für BPA in Oberflächengewässern gilt in Österreich eine Jahresdurchschnitts-Umweltqualitätsnorm (JD-UQN) von 1,6 µg pro Liter. Diese Konzentration darf nicht überschritten werden, damit ein Oberflächengewässer einen guten chemischen Zustand aufweist. Dieser Grenzwert ist in der Qualitätszielverordnung Chemie Oberflächengewässer (BGBl. II Nr. 96/2006 i.d.g.F.) festgelegt.
Unsere Leistungen
Das Umweltbundesamt führt neben Forschungsprojekten auch Auftragsanalysen zu verschiedenen Bisphenolen durch.
In unserer akkreditierten Prüfstelle gemäß EN ISO/IEC 17025 bestimmen wir BPA in Grund- und Oberflächengewässer, Abwasser und in Eluaten.
Weiters sind Analysen von Bisphenolen in der Umwelt, in Lebensmitteln und Konsumgütern (im Hausstaub, in wässrigen Proben und Festproben wie beispielsweise in Produkten) sowie im Menschen (z.B. Harn) möglich.
Links
Entwurf zur Neubewertung von Bisphenol A (EFSA 2021)
Informationen der ECHA zu Bisphenol A
Human-Biomonitoring in sensiblen Bevölkerungsgruppen - Kindersurvey (2021)