Umweltbundesamt-Kinderstudie: Untersuchung von Schadstoffen

Wien, 10. November 2021

Umweltchemikalien und Schimmelpilzgifte nachgewiesen

Das Umweltbundesamt hat im Auftrag des Klimaschutzministeriums 85 Volksschulkinder aus Ostösterreich auf Umweltschadstoffe untersucht, darunter unter anderem fluorierte Stoffe, Bisphenole, Konservierungsmittel und Schimmelpilzgifte. Die Analysen wurden im Harn durchgeführt. Alle Kinder waren mit vielen Substanzen aus Konsumprodukten, Lebensmitteln oder Kosmetika mehrfach belastet. Die nachgewiesenen Konzentrationen der einzelnen Stoffe sind zumeist gering und mit internationalen Studien vergleichbar.

Image Mensch als Spiegel der Umwelt

Dennoch kann eine mehrfache Belastung langfristig problematisch sein. Viele der untersuchten Substanzen sind hormonell schädigend oder stehen im Verdacht, es zu sein. Viele der untersuchten Substanzen unterliegen bereits EU-weit harmonisierten Regelungen und Beschränkungen in unterschiedlichen Gesetzesmaterien, wie etwa im Chemikalienrecht der REACH und POP Verordnung, Kosmetik Verordnung bzw. der Spielzeug Verordnung. Allerdings unterstreichen neue Kenntnisse zur Wirkung bestimmter Substanzen sowie der vielfältige Einsatz von möglicherweise bedenklichen Ersatzstoffen die Notwendigkeit weiterer rechtlicher Regelungen, wie sie unter anderem in der Europäischen Chemikalienstrategie für Nachhaltigkeit vorgesehen sind. Österreich setzt sich hier für eine rasche und ambitionierte Umsetzung ein. Die Ergebnisse der aktuellen Studie werden dazu auch der EU-Kommission übermittelt.

Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Lebensmittelchemie und Toxikologie der Universität Wien durchgeführt. Österreich analysiert im Rahmen des „Human Biomonitoring“ laufend die Belastung der Menschen mit Schadstoffen. Das Klimaschutzministerium wird diese Aktivität fortsetzen und damit auch die Verbesserung der EU-Regeln vorantreiben.

Untersucht wurden 45 Mädchen und 40 Buben im Alter von sechs bis zehn Jahren aus Wien, Niederösterreich, dem Burgenland und der Steiermark. Rund 37% der Kinder lebten im städtischen, ca. 21% im vorstädtischen sowie ca. 42% im ländlichen Raum. Die Expert:innen von Umweltbundesamt und Universität Wien analysierten den Harn der Kinder auf mehr als 100 Substanzen wie Industriechemikalien, Inhaltsstoffe von Kosmetikprodukten, Konservierungsmittel, natürlich vorkommende Substanzen, Schimmelpilzgifte und Hormone.

Zusammenfassung der Ergebnisse

Perfluorierte Alkylsubstanzen

Aus der Gruppe der perfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) wurden 14 Substanzen untersucht. Insgesamt konnten neun davon nachgewiesen werden, zwei sogar in allen Kindern.

Viele Konsumgüter enthalten PFAS, wie Farben, Leder- und Textilbeschichtungen,
(Outdoor-)Kleidung, Schuhe, Teppiche, Verpackungen, Skiwachs, Boden- und Autopflegemittel, Imprägnier- und Schmiermittel. Die Verbindungen zeichnen sich durch ihre Stabilität und Langlebigkeit aus und werden dadurch für Mensch und Umwelt zum Problem. Die wichtigsten Vertreter der Substanzgruppe werden als schädigend für die Fortpflanzung, wahrscheinlich krebserregend und toxisch für die Umwelt eingestuft. Vom Menschen werden sie in erster Linie über Lebensmittel, Lebensmittelverpackungen und Trinkwasser aufgenommen. Auf EU-Ebene gibt es aktuell Bestrebungen, die PFAS als Gruppe in Produkten zu beschränken. Die Ergebnisse des Kindersurvey werden auch in diesen Prozess miteinfließen. Trinkwasser-Grenzwerte wurden auf EU-Ebene bereits verhandelt und sind in den Mitgliedsstaaten ab Jänner 2026 zu überwachen.

Bisphenole

Alle Kinder waren mit zumindest einem Bisphenol belastet. Das bekannteste und am meisten eingesetzte Bisphenol ist das Bisphenol A (BPA). Seit der letzten österreichischen Untersuchung von Kindern von 2010 bis 2012 konnte kein merklicher Rückgang der BPA-Belastung festgestellt werden.

Bisphenole werden bei der Herstellung von bestimmten Kunststoffen, von Epoxidharzen und in Thermopapier verwendet. Sie können in Kunststoffflaschen, Lebensmittelverpackungen, Konservendosen, Kassazetteln, Zahnmaterialien, Baumaterialien oder in Sportgeräten enthalten sein. BPA kann sich schädlich auf die Fortpflanzung und das Hormonsystem auswirken. Verboten ist BPA in der Herstellung von Babyfläschchen bzw. Trinkgefäßen und Flaschen für Säuglinge und Kleinkinder aus Polycarbonat sowie in Kosmetika. Eine Beschränkung von BPA gibt es in Kinderspielzeug und in Thermopapier. Da in den letzten Jahren gesetzliche Beschränkungen erlassen wurden, werden andere Bisphenole wie BPF und BPS zunehmend als Alternativen eingesetzt. Auch diese Alternativen stehen im Verdacht ähnliche hormonelle Wirkung zu zeigen.

Konservierungsmittel

Die als Konservierungsmittel in Lebensmitteln, Lebensmittelverpackungen, Arzneimittel und Kosmetika eingesetzten Parabene wurden in allen Kindern nachgewiesen.

Sie werden vom Menschen durch den Verzehr von Lebensmitteln aufgenommen bzw. über die Einnahme von Arzneimitteln, die Parabene enthalten. Durch die Verwendung von parabenhaltigen Kosmetika und Körperpflegeprodukten ist eine Aufnahme auch über die Haut möglich. Für bestimmte Parabene wurden endokrin schädigende Eigenschaften identifiziert und etliche weitere stehen im Verdacht, endokrin schädigend zu sein. Derzeit werden auf EU-Ebene dahingehend Bewertungen durchgeführt.

Schimmelpilzgifte (Mykotoxine)

Es wurden 30 Mykotoxine im Harn der Kinder untersucht. Davon wurden in der Studie insgesamt acht nachgewiesen. Besonders relevant waren dabei Deoxynivalenol und Zearalenon, die vorrangig in Getreide vorkommen.

Bei Mykotoxinen handelt es sich um toxische Verbindungen, die auf natürliche Weise von Pilzen gebildet werden. Eine Belastung erfolgt oft durch den Verzehr von Lebensmitteln, die zum Beispiel bei der Ernte oder der Lagerung von Schimmel befallen wurden. Mykotoxine können sich negativ auf die Gesundheit auswirken. Eine Belastung mit Mykotoxinen ist nicht vollständig zu vermeiden, da der Pilzbefall oft bereits auf dem Feld stattfindet. Eine gute landwirtschaftliche Praxis ist daher wesentlich zur Verringerung der Belastung. Für Myktoxine in Lebensmitteln gibt es gesetzliche Grenzwerte, diese werden laufend überprüft und auch Herabsetzungen derzeit auf europäischer Ebene diskutiert.

Human Biomonitoring

Menschen nehmen Chemikalien aus der Umwelt, durch den Verzehr von Lebensmitteln, beim Gebrauch von Konsumgütern und am Arbeitsplatz auf. Durch Human Biomonitoring kann die Belastung einzelner Personen oder Bevölkerungsgruppen mit Schadstoffen erkannt werden. Human Biomonitoring dient als Werkzeug zur gesundheitsbezogenen Umweltbeobachtung. Dabei werden Harn, wie in der vorliegenden Studie, aber auch Blut, Nabelschnur, Muttermilch, Plazenta, Haare oder Gewebe des Menschen mittels chemischer Analytik untersucht. Neben der Schadstoffbelastung können auch die durch die Schadstoffe ausgelösten biologischen Wirkungen erhoben werden. Die gewonnenen Daten dienen als Grundlage für gesetzliche Maßnahmen und lassen Rückschlüsse darauf zu, wie effektiv und erfolgreich gesetzliche Regelungen sind, zum Beispiel Beschränkungen und Verbote von bestimmten Schadstoffen.

Die Ergebnisse der aktuellen Studie sind auch eine Unterstützung für derzeit laufende Aktivitäten auf EU-Ebene, wie der Europäischen Nachhaltigkeitsstrategie für Chemikalien. Durch sie sollen die Weichen für eine grundlegende Verbesserung des Umwelt- und Gesundheitsschutzes in der EU gestellt werden.