Im Interview: Christine Vieira Paschoalique & Jörg Reinold von Wienerberger

Nachhaltigkeit und Digitalisierung im Bauwesen 

Foto Christine Vieira Paschoalique
Christine Vieira Paschoalique, Head of Corporate Sustainability von Wienerberger

Kann die Digitalisierung ein nachhaltiges Bauwesen unterstützen?

Paschoalique: Die Digitalisierung unterstützt die vernetzte Planung, die erforderlich ist, um ganzheitliche Gebäudelösungen anbieten und betreiben zu können. Dies spart Zeit – zum Beispiel durch maßgeschneiderte und vorgefertigte Infrastruktur- oder Bau-Lösungen – und es hilft noch sparsamer und gezielter Ressourcen, wie Rohstoffe und Energie, einzusetzen. Im Sinne der Nachhaltigkeit braucht es ein Gesamtkonzept. Das Potenzial der Digitalisierung können wir nur ausschöpfen, wenn der entsprechende Rahmen gewährleistet ist: eine gut ausgebaute Infrastruktur und eine Harmonisierung der Standards sind wesentliche Voraussetzungen.

Welche Bedeutung hat dabei das Building Information Modeling (BIM)?

Reinold: Für mich ist BIM das wesentliche Thema der Digitalisierung im Bauwesen. Die Informationen im Gebäudedatenmodell helfen, die in einem fragmentierten Bauprozess entstehenden Baufehler zu vermeiden und dadurch wertvolle Ressourcen einzusparen. Außerdem schaffen die im Modell hinterlegten Informationen zu den verwendeten Materialien und Bauteilen die Grundlage für deren Wiederverwertung. Im größeren Kontext ermöglicht diese Transparenz nachhaltiges Planen und Bauen sowie die intelligente Nutzung ganzer Stadtteile.

Sehen Sie digitale Möglichkeiten im Recycling-Bereich?

Paschoalique: Circular Economy wird in den nächsten Jahren stark an Fahrt aufnehmen. Die Digitalisierung kann diesen Trend durch einen „Produktpass“ unterstützen, der unter anderem die verwendeten Materialien beschreibt. Mit diesen Informationen könnten wir eine sinnvolle Kreislaufwirtschaft ermöglichen.

Reinold: Die digitale Planung kann außerdem ein recyclingfreundliches Design fördern: Vorgefertigte Wandmodule oder „Legosysteme“ können einfach zusammengesetzt und wieder auseinandergenommen werden. Ändert sich die Nutzung, lassen sich auch die Module flexibel ändern.

Foto Jörg Reinhold
Jörg Reinold, Chief Information and Digital Officer von Wienerberger

Welche Rolle spielt die Sensorik in Sachen Nachhaltigkeit?

Paschoalique: Im Zusammenhang mit dem Klimawandel und dem zunehmenden Auftreten von Extremwetterereignissen, gewinnt der Schutz von Lebensraum an Bedeutung. Intelligente Wassermanagementlösungen kombinieren die Messergebnisse von Sensoren mit Wetterdaten, um beispielsweise Überschwemmungen zu prognostizieren und entsprechende Schutzmaßnahmen einzuleiten. Sensoren in Rohren unterstützen außerdem generell einen ressourceneffizienten Umgang mit Wasser.

Wird das nachhaltige Bauen der Zukunft durch Bau-Roboter bestimmt?

Reinold: Angesichts des Fachkräftemangels und komplexer werdender Technologien gewinnt die Robotik an Bedeutung, da sie eine hohe Ausführungssicherheit gewährleistet. Durch das Einspeisen des digitalen Planungsmodells in den Roboter kann präziser gebaut und dadurch Verschnitt reduziert werden. Im Bauwesen ist die Robotik aber noch in der Experimentierphase: wir müssten dafür das Bauen neu denken und spezielle Bauprodukte für den Roboter designen.

 

WIENERBERGER AG ist ein weltweit tätiger Anbieter von Baustoff- und Infrastrukturlösungen. Zur Unternehmensstrategie gehören neben einer digitalen Agenda auch ein Nachhaltigkeitsprogramm (Sustainability Program 2023) mit messbaren Zielen und Maßnahmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette.

 

Das Interview führte die Umweltbundesamt-Expertin für nachhaltiges Bauen, Astrid Achatz.